In der aktuellen Ausgabe des kulturellen Schachmagazins KARL berichtet Harry Schaak über unsere wissenschaftliche Studie „Schach im Kindergarten“. Das Buch kann in unserem Shop erworben werden. Hier der Karl-Berlicht:
Wer den Schulschach-KARL (2/13) gelesen hat, ist mit den Vorzügen, die Schachunterricht in Schulen haben kann, vertraut. Doch manche glauben, man könne noch früher anfangen. Der ehemalige Breitensportreferent des DSB, Ralf Schreiber, hat schon mit seinem 2006 begonnenen Projekt „Schach für Kids“ das Spiel in die Kindergärten gebracht. Angeregt durch den Enthusiasmus seiner zweijährigen Tochter wurde der Wunsch immer stärker, Schach den Jüngsten beizubringen. Und da er von Beginn an daran dachte, eine begleitende Flächenstudie durchzuführen, ging er sein Projekt generalstabsmäßig an.
Zunächst begeisterte er den Landrat für seine Idee. Dann suchte er Sponsoren, die die Kindergärten mit Brettern, Figuren und teils von ihm selbst verfasstem Lehrmaterial ausstatteten. Für die Vermittlung waren die zuvor von ihm in Wochenendseminaren geschulten Erzieher selbst verantwortlich. Begleitet wurde das Projekt mit einer Telefonhotline und einem Elternseminar. Mit einer Pressekonferenz, die das Pilotprojekt 2007 ankündigte, erreichte Schreiber eine mediale Wirkung, die weit über seinen Landkreis Ennepe-Ruhr in Nordrhein-Westfalen hinausreichte. Schließlich wurde in 157 Kindergärten mit 3000 Kindern Schach eingeführt.
Von Beginn an schwebte Schreiber, der 2009 für sein Engagement den Deutschen Schachpreis erhielt, eine wissenschaftliche Begleitung vor. Nachdem das Pilotprojekt sehr gut angenommen wurde, suchte er einen Geldgeber und fand ihn 2008 in der Stiftung Mercator, die 60.000 Euro für eine Studie zur Verfügung stellte. Von Mitte 2008 bis Ende 2009 fand diese Untersuchung in elf Kindergärten mit über 500 Kindern im Alter von drei bis vier und von fünf bis sechs Jahren statt. Die wissenschaftliche Betreuung des Projekts leitete die Psychologin Marion Bönsch-Kauke, die u.a. für den DSB als Mentalcoach für die deutsche Nationalmannschaft tätig war. Bönsch-Kauke hat viele Interviews mit den teilnehmenden Pädagogen ausgewertet, die das Verhalten der Kinder anhand eines Variablensystems dokumentierten. Dabei schildern die Erzieher Probleme und Lösungen, die bei der Umsetzung aufgetaucht sind. Die Kindergärten reagierten durchweg sehr positiv, weil seit den alarmierenden PISA-Studien neue pädagogische Hilfsmittel gesucht werden – ein Effekt, der sich auch im Schulschach nachweisen lässt. Doch was dem Schulschach im Moment fehlt – weitere Studien neben der Trierer Studie – ist mit der jetzt vorliegenden Publikation Schach im Kindergarten auf 407 Seiten gelungen. Einige Erkenntnisse lassen sich durchaus auch auf das Schulschach übertragen. Aspekte wie Interaktion, vom anderen lernen (Schwächere profitieren von Stärkeren), Kreativität, soziale Rücksichtnahme, Ruhe und Konzentration, Teamarbeit, Geduld, Ausdauer, Vorausdenken werden durch das Schach schon bei den Kleinsten gestärkt. Die Studie resümiert: „Stichhaltige qualitative Daten weisen den Bildungs- und Erziehungswert des Schachspiels in der Frühförderung aus. Es ist ein pädagogisches Hilfsmittel, das in keinem Kindergarten fehlen sollte.“
Die Studie ist ein weiterer Beleg für die gewaltigen Möglichkeiten des Schachs im Bildungsbereich. Das mediale Echo, das Schreibers Projekt erzielte, hat viele Kindergärten weit über seinen Landkreis hinaus angeregt, ebenfalls Schach in ihren Einrichtungen anzubieten. Und auch anderswo in Deutschland gibt es mittlerweile Nachfolger, die das Thema vorantreiben.
Harry Schaack